Unsere Mütter, unsere Väter Kritik aus Grossväterland-Sicht

Nach dem die dreiteilige, deutsche TV-Serie Unsere Mütter unsere Väter, die erstmals am 17., 18. und 20. März 2013 im ZDF ausgestrahlt wurde, bereits den Deutschen Fernsehpreise, den Bayerischen Fernsehpreis, den Jupiter und die Goldene Kamera gewonnen hatte, erhielt sie am vergangenen Montag auch den Emmy Award und damit den bedeutendsten TV-Preis der USA. Hier wurde die Serie unter dem Namen War Generation rausgebracht und auf Deutsch mit englischen Untertiteln gezeigt. Obwohl die Besucherzahlen überschaubar waren, wurde der Film in der US-Presse hochgelobt. Man sprach von einem deutschen Big Brother und von einem Film, der die Schuldfrage der Deutschen ganz neu zur Diskussion stellen würde. Schon das lässt die Brisanz der Serie erkennen, die von Regisseur Philipp Kadelbach inszeniert wurde.
Indes gab es jedoch auch heftige Kritik, vor allem aus Polen und seitens jüdischer Interessensgemeinschaften. Der Film würde den Holocaust verharmlosen, revisionistisch sein und Lügen über die Polen erzählen, die im Film allesamt als Antisemiten dargestellt würden.

Internationale Zuschauer und deutsche Zuschauer zeigten sich irritiert und fühlten sich auf unangenehme Weise nahezu gezwungen, mit den Hauptcharakteren zu sympathisieren, obwohl diese sich schlimmen Verbrechen schuldig machen.
Als Historiker von Großväterland habe ich es nun als wichtig erachtet, mir ein eigenes Bild über diesen, seit über einem Jahr so viel diskutierten Film zu machen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, da wir in unserer Graphic Novel Grossväterland, ebenso wie Unsere Mütter, unsere Väter es tut, Geschichten aus dem Weltkrieg aus deutscher Sicht erzählen. Das ist etwas relativ Neues und, wie bei so vielen Dingen, die neu sind, ruft das auch Kritiker auf den Plan. Die Frage wird dabei aufgeworfen, ob man das Leid der Deutschen erzählen kann, ohne dabei den Holocaust zu thematisieren oder entgegenzustellen. Produzent Nico Hofmann hat bereits deutsche Sichtweisen aus der Zeit des Zweitenweltkrieges in TV-Filmen wie Dresden oder die Flucht verarbeitet, jedoch hier aus Opferperspektive. Unsere Mütter, unsere Väter hingegen zeigt die Täterseite. Und das ist eben noch mal neuer!
Fangen wir also mal an, den Film auf diese Aspekte und darüber hinaus zu beleuchten:

Worum geht es?
Unsere Mütter, unsere Väter erzählt die Geschichte von fünf Freunden, die in den Jahren zwischen 1941 und 1945 auf verschiedene Weise in den Krieg verwickelt werden. Wilhelm(Volker Bruch), sein jüngerer Bruder Friedhelm (Tom Schilling), Charlotte (Miriam Stein), Viktor (Ludwig Trepte) und Greta (Katharina Schüttler) verabschieden sich im Sommer 1941 in Berlin und sind der Überzeugung, dass der Krieg sehr schnell gewonnen würde und man sich bereits an Weihnachten in der deutschen Hauptstadt wiedersehen würde. Diese Einschätzung ist für die Anfang Zwanzigjährigen ziemlich realistisch, denn der schnelle Polenfeldzug und der Westfeldzug haben gezeigt, dass Europa der Stärke der Wehrmacht nicht standhalten kann. Auch der anfängliche Blitzkrieg gegen Russland lässt nicht an ein Scheitern glauben. So werden die Brüder Wilhelm und Friedhelm gemeinsam in den Russlandfeldzug geschickt. Während der ältere, kriegserfahrene Bruder, sich bei der nahenden Kriegswende zu Gunsten der Russen die Frage nach dem Sinn des Krieges stellt und schließlich sogar desertiert, blüht Friedhelm förmlich auf. Anfangs von seinen Kameraden als Feigling verlacht und geschlagen, wird er zu einer brutalen Tötungsmaschine und schreckt auch nicht davor zurück, Frauen und Kinder zu exekutieren.

Charlotte arbeitet als Krankenschwester in einem deutschen Lazarett und verrät dort eine Jüdin an die SS. Greta beginnt eine Affäre mit einem eiskalten Gestapo-Mann und nutzt durch diesen ihre Chance, Profisängerin zu werden. Viktor ist der Jude in der Runde und bereitet seine Flucht vor, wird jedoch verraten und auf den Weg nach Auschwitz geschickt. Aus dem Viehtransporter kann er sich jedoch befreien und schließt sich darauf polnischen Partisanen an, um gegen die Deutschen zu kämpfen.

Die Dramatik im Film hat Höhen und Tiefen. Während die Gedanken und Gefühle der jungen Deutschen sehr authentisch rüberkommen und betroffen machen, hapert es häufig an der Logik. Was mich sehr geärgert hat, ist, dass die Fünf sich immer irgendwo zufällig wiedersehen. Schon allein, dass die Brüder immer Seite an Seite kämpfen, ist nicht realistisch, dass sie aber in den Kriegswirren auch immer wieder auf Charlotte treffen und sogar Greta zufällig dort einen Gesangsauftritt hat, wo Wilhelm und Friedhelm stationiert sind, ist mehr als unglaubwürdig. Auch, dass Viktor genau da aus dem Zug springt, wo anschließend sein Freund Friedhelm kämpft, ist schlecht durchdacht. Die Krone wird dem Ganzen aber aufgesetzt, dass auch Nebenpersonen immer wieder Begegnungen mit den Hauptcharakteren haben. Das hätte man durchaus geschickter inszenieren können, zumal die Geschichten auch losgelöster voneinander hätten erzählt werden können. Zum Schluss verwundert es nicht mal mehr, dass die Überlebenden der Runde am Ende des Krieges genau zum gleichen Zeitpunkt in ihrer Berliner Gaststätte eintreffen.

Überdies bekomme ich das Gefühl, dass die Macher von Unsere Mütter unsere Väter einfach zu viel in den Film einbauen wollten. Die Front- und Heimatgeschichten hätten ausgereicht. Mich hat gewundert, dass der Holocaust überhaupt thematisiert wird. Es wirkt tatsächlich manchmal wie ein Alibi. „Wir dürfen Auschwitz bei all dem nicht vergessen.“ Jedoch ist es sehr schwer, gleichzeitig einen Kriegsfilm zu erzählen und ein Geschichtsdrama über den Holocaust. Die also wenigen Szenen, die vom Leid der Juden erzählen, können so nur zu kurz kommen und oberflächlich behandelt werden So hat man sich mehr Kontroversen geschaffen, als, wenn man das Thema nicht behandelt hätte.
Natürlich aber kann der Kriegsschauplatz Russland nicht ohne Kriegsverbrechen der Deutschen auskommen. Und diese kommen im Film auch nicht zu kurz. Schonungslos wird gezeigt, wie ein SS-Mann ein jüdisches Kind exekutiert, wie Wehrmachtssoldaten Partisanen hinrichten. Während die Hauptcharaktere allerdings den Frontkrieg immer vor Augen haben, keinen Antisemitismus zeigen, dennoch aber nicht davor zurückschrecken, Juden zu töten, weil sie Befehle erhalten, so werden Nebencharaktere als hochgradig antisemitisch dargestellt. Auch das ist realistisch.

Zum Kritikpunkt: die Charaktere, welche die polnische Heimatarmee verkörpern, zeigen sich definitiv antisemitisch. Das eine nicht unerhebliche Menge der polnischen Kämpfer aber auch tatsächlich antisemitisch waren, kann man nicht leugnen. Die Kritik aus Polen kann nur aus dem Umstand heraus verstanden werden, dass die andere Seite der Polen nicht gezeigt wird. Dass nicht darauf eingegangen wird, dass es wesentlich mehr Teile in der polnischen Bevölkerung gab, die Juden geholfen haben.
Dieser Kritik muss sich der Regisseur stellen, jedoch sollte man diesen Punkt auch nicht überbewerten. Man bekommt keines Wegs das Gefühl, dass die Polen antisemitischer waren als die Deutschen oder, dass diese den Holocaust mit zuverantworten hätten. Wie oben schon einmal angesprochen, würden solche Erzählstränge über „gute Polen“ den Rahmen des überhaupt schon so themenüberlasteten Filmes sprengen. Anzeichen für eine Holocaustleugnung oder Geschichtsrevisionen konnte ich überhaupt nicht erkennen und das war mit Sicherheit auch nicht Intention der Filmemacher. Man hätte vielleicht aber mit der polnischen Seite sensibler umgehen müssen und der Film hätte auch ohne den polnischen Antisemitismus funktioniert!
Vornehmliche Intention der Filmemacher war es meines Erachtens, die Brutalität des Krieges und gleichzeitig dessen Sinnlosigkeit darzustellen. Und das ist auch gelungen!
Unser Mütter unsere Väter schafft es, die verdrehte und absurde Welt der jungen Soldaten im Zweiten Weltkrieg darzustellen. Anfangs übermotiviert, Hitler-fanatisch und siegessicher, verlieren sie doch mit den ersten Gräueltaten im Krieg und mit dem Verheizen und sinnlosen Sterben ihrer Kameraden den Glauben an Führer, Volk und Vaterland und letztendlich auch zu sich selbst!

Dem Film merkt man an, dass viele Zeitzeugen befragt wurden und Militärhistoriker am Set gearbeitet haben. Vor allem zeigt sich das an der Requisite. Uniformen, Haarschnitte, militärische Ausrüstung und Interieur sind authentisch nachgebildet. Man bekommt einen sehr guten Eindruck davon, wie es in den Schützengräben oder im Lazarett zugegangen sein muss. Kameraführung und Tricktechnik erinnern an Hollywood-Kriegsfilme. Dennoch zeigt sich natürlich das vergleichsweise schmale Budget von 15 Millionen Euro. Hier konnte man nicht wie in US-Produktionen wie Band of Brothers große Schlachten inszenieren. Bei Großoffensiven mussten sehr viele animierte Panzer und Flugzeuge herhalten. Anders ist das bei den Häuserkämpfen, hier erreicht der deutsche Film Hollywood-Niveau.
Mein Fazit fällt insgesamt positiv aus. Geärgert haben mich nur diese unglaubwürdigen Zufallsbegegnungen in der Story. Bilder, Musik und Schauspielerleistung sind grandios. Zu den Kritikpunkten sollte sich jeder selbst ein Bild machen. Wir zumindest haben uns für die Geschichten in Großväterland dazu entschieden, nicht zu werten oder zu vergleichen. Wir werden die Geschichten aus deutscher Sicht erzählen, so wie sie uns beschrieben werden. Beschönigen werden wir nichts, aber auch nicht mit dem Finger auf unsere Protagonisten zeigen! Und Vergleiche persönlichen Schicksale, wie sie unsere Großväter erlebt haben, zu den schlimmen Verbrechen des Holocaust werden wir nicht ziehen. In diesem Punkt werden wir es also sicher also besser machen als Unsere Mütter unsere Väter.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr uns Eure Meinung zum Film mitteilt! Und ich empfehle Euch auch wärmstens, den Film zu schauen, solltet ihr es noch nicht getan haben. Diskussionen unter dieser Kritik sind durchaus erwünscht!

Christian Hardinghaus

Den Trailer gibt es hier nochmal: https://www.youtube.com/watch?v=8sFQJLy0_cg


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